Kalibrierintervalle richtig festlegen: Ein Leitfaden zwischen Risiko und Wirtschaftlichkeit

Zwei Qualitätsmanagerinnen in weißen Kitteln und Haarnetzen prüfen ein Protokoll auf einem Klemmbrett in einer Produktionsanlage.

Eine der häufigsten Fragen, die wir hören, nachdem wir mit unserem mobilen Kalibrierequipment bei Ihnen vor Ort eine Messstelle in Ihrer Anlage überprüft haben, lautet: „Und wann genau müssen Sie wiederkommen?“. Diese Frage ist absolut zentral. Die ehrliche und fachlich einzig korrekte Antwort ist jedoch keine simple Zeitangabe, sondern lautet: „Das hängt von Ihrem Prozess und dem Risiko ab, das dieser Sensor absichert.“

Viele Anwender wünschen sich eine pauschale Herstellerangabe, die vorschreibt, ob ein Sensor alle 6, 12 oder 24 Monate zu kalibrieren ist. Doch die entscheidenden Regelwerke – sei es der EU-GMP-Leitfaden (insb. Anhang 15) oder die DIN EN ISO/IEC 17025 – fordern etwas anderes: einen durchdachten, risikobasierten und nachvollziehbar dokumentierten Ansatz.

Dieser Leitfaden gibt Ihnen die Kriterien an die Hand, um Kalibrierintervalle für Ihre fest verbaute Prozessmesstechnik selbstbewusst, auditsicher und wirtschaftlich sinnvoll festzulegen.

Warum eine „Einheitsregel“ im GMP-Umfeld nicht existiert

Die Vorstellung, dass ein Messgerät von sich aus ein festes „Ablaufdatum“ für seine Kalibrierung hat, ist ein Trugschluss. Die Genauigkeit eines Sensors wird nicht allein durch die Zeit beeinflusst, sondern maßgeblich durch seinen Einsatz direkt im Prozess. Ein Drucktransmitter, der permanent Prozessschwankungen ausgesetzt ist, wird seine Messgenauigkeit schneller verändern als ein identisches Gerät in einer weniger dynamischen Anwendung.

Regelwerke wie der Anhang 15 des EU-GMP-Leitfadens überlassen die Festlegung der Intervalle bewusst Ihnen als Anwender. Warum? Weil nur Sie das Risiko kennen, das eine fehlerhafte Messung für Ihre Produktqualität, Prozessstabilität und letztendlich für die Patientensicherheit bedeutet.

Die Verantwortung liegt bei Ihnen, doch Sie stehen nicht allein da. Die folgenden Kriterien bilden das Fundament für eine im Audit absolut belastbare Entscheidung.

Die drei Säulen der risikobasierten Intervall-Festlegung

Um das optimale Kalibrierintervall für einen in Ihrer Anlage verbauten Sensor zu bestimmen, müssen Sie drei zentrale Faktoren systematisch bewerten.

1. Prozesskritikalität: Was passiert, wenn die Messung falsch ist?

Dies ist die entscheidende Frage. Die potenziellen Auswirkungen einer fehlerhaften Messung sind der wichtigste Treiber für die Häufigkeit der Kalibrierung.

  • Hohes Risiko: Hat die Messung direkten Einfluss auf kritische Qualitätsmerkmale (CQAs) oder kritische Prozessparameter (CPPs)? Beispiele sind die Temperatur bei einer Sterilisation oder die Differenzdrücke in einem Reinraum (gemäß ISO 14644). Konsequenz: Kürzere Intervalle sind hier unerlässlich.
  • Mittleres Risiko: Dient die Messung der Prozessüberwachung, wobei Abweichungen zwar Kosten oder Ineffizienzen verursachen, aber nicht direkt zu einem Chargenverlust führen? Konsequenz: Standardintervalle (z.B. jährlich) sind hier oft ein guter Ausgangspunkt.
  • Niedriges Risiko: Wird der Messwert nur zu informativen Zwecken erfasst oder durch andere, kritischere Messungen abgesichert? Konsequenz: Hier können Intervalle nachweislich verlängert werden, um die Effizienz zu steigern.

2. Beanspruchung & Umgebungsbedingungen: Wie „hart“ ist der Job des Sensors?

Jeder fest verbaute Sensor ist anderen Belastungen ausgesetzt. Diese haben massiven Einfluss auf seine Stabilität.

  • Nutzungshäufigkeit: Ist der Sensor im 24/7-Einsatz oder wird er nur für bestimmte Prozessphasen verwendet?
  • Umgebung: Ist er rauen Bedingungen wie Vibrationen durch Pumpen oder Rührwerke, extremen Außentemperaturen oder Feuchtigkeit ausgesetzt?
  • Prozess- & Reinigungszyklen: Ist der Sensor aggressiven Prozessmedien oder starken thermischen Schocks durch CIP/SIP-Zyklen (Cleaning/Sterilization in Place) ausgesetzt? Solche wiederkehrenden Belastungen sind eine Hauptursache für die Drift von Sensoren.

3. Gerätestabilität & Historie: Was verraten uns die Daten?

Ihre eigenen Daten sind Gold wert. Die Kalibrierhistorie eines Sensors ist der beste Indikator für sein zukünftiges Verhalten und die solideste Basis für jede Argumentation im Audit.

  • Ersterfahrung: Bei neuen Anlagen oder Sensoren starten Sie am besten mit der Empfehlung des Herstellers oder einem konservativ gewählten, kürzeren Intervall.
  • Trendanalyse: Analysieren Sie die Ergebnisse der letzten Kalibrierungen. War der Sensor immer stabil und weit innerhalb der Toleranz? Dann ist eine Verlängerung des Intervalls eine prüfenswerte Option. Zeigte sich eine deutliche Drift oder war sogar eine Justierung notwendig? Dann muss das Intervall verkürzt werden.

Praktische Umsetzung: Kalibrierintervalle festlegen in der Praxis

Die risikobasierte Festlegung von Kalibrierintervallen ist kein einmaliges Projekt, sondern ein dynamischer Prozess der kontinuierlichen Verbesserung.

Checkliste zur Festlegung und Optimierung Ihrer Kalibrierintervalle:

  • Bestandsaufnahme: Erfassen Sie alle kalibrierpflichtigen Messstellen in Ihren Anlagen.
  • Risikobewertung durchführen: Bewerten Sie jede Messstelle anhand der drei Säulen (Prozesskritikalität, Beanspruchung, Gerätestabilität).
  • Initiales Intervall festlegen: Definieren Sie auf Basis der Bewertung ein Startintervall.
  • Dokumentation: Halten Sie die Begründung für Ihre Entscheidung schriftlich fest (z. B. in einer SOP zum Prüfmittelmanagement). Dies ist Ihr wichtigstes Dokument im Audit!
  • Daten sammeln: Lassen Sie die Kalibrierungen pünktlich durchführen – durch einen spezialisierten Vor-Ort-Dienstleister wie Verikal, der mit hochpräzisem Referenzequipment direkt zu Ihrer Anlage kommt.
  • Re-Evaluierung: Analysieren Sie die Kalibrierergebnisse (Trendanalyse).
  • Anpassung & Optimierung: Passen Sie die Intervalle an. Verlängern Sie, wo es sicher möglich ist, um Kosten zu sparen. Verkürzen Sie, wo es zur Prozesssicherheit nötig ist.

Als Ihr Partner für DAkkS- und ISO-Kalibrierung, Reinraumqualifizierung und Elektroprüfung unterstützen wir Sie nicht nur bei der reinen Durchführung. Wir verstehen uns als Teil Ihres Qualitätssicherungsteams und helfen Ihnen dabei, ein robustes, effizientes und auditsicheres Prüfmittelmanagement aufzubauen.

FAQ – Häufig gestellte Fragen zu Kalibrierintervallen

Frage: Gibt es keine gesetzliche Vorschrift, die Kalibrierintervalle festlegt?

Antwort: Nein, in den meisten Regelwerken (z. B. ISO 9001, GMP) gibt es keine starren Vorgaben. Die Normen fordern stattdessen einen dokumentierten, risikobasierten Ansatz, für den der Anlagenbetreiber selbst verantwortlich ist.

Frage: Was ist, wenn der Gerätehersteller ein Intervall von 12 Monaten empfiehlt?

Antwort: Die Herstellerempfehlung ist ein guter, aber unverbindlicher Ausgangspunkt, besonders für neue Geräte. Sie können und sollten dieses Intervall basierend auf Ihrer eigenen Risikobewertung und der späteren Kalibrierhistorie anpassen.

Frage: Wie dokumentiere ich die Entscheidung für ein Kalibrierintervall am besten?

Antwort: Eine Risikomatrix oder ein Standardformular pro Messstellentyp ist ideal. Darin bewerten Sie die Kriterien (z. B. Prozesskritikalität, Beanspruchung) und leiten daraus das Intervall ab. Diese Dokumentation ist im Audit entscheidend.

Frage: Dürfen Kalibrierintervalle verlängert werden?

Antwort: Ja, unbedingt! Wenn die Kalibrierhistorie über mehrere Zyklen hinweg zeigt, dass ein Sensor extrem stabil ist, ist eine begründete Verlängerung nicht nur wirtschaftlich sinnvoll, sondern auch ein Zeichen für ein exzellentes Prozessverständnis.

Frage: Was ist der Vorteil eines Vor-Ort-Kalibrierservices für fest verbaute Sensoren?

Antwort: Der entscheidende Vorteil unseres reinen Vor-Ort-Services ist, dass Ihre wertvollen Prozesssensoren nicht ausgebaut und versendet werden müssen. Das minimiert Stillstandszeiten, vermeidet das Risiko von Transportschäden und stellt sicher, dass die Kalibrierung unter realen Einbaubedingungen stattfindet. Unsere Techniker kommen mit rückführbar kalibrierten Referenzgeräten zu Ihnen und prüfen die Genauigkeit direkt in Ihrer Anlage – eine nahtlose und effiziente Lösung.